Sonntag, 11. November 2012

Ein Praktikum im Krankenhaus

IMG_2938 Das Joseph Memorial Hospital

Ein kleines Krankenhaus hier in der Nähe ist das Joseph Memorial Krankenhaus.

Weil ich bereits einige Zeit als Krankenschwester in Deutschland gearbeitet habe, bekomme ich hier die großartige Möglichkeit, neben der Arbeit mit den Kindern einen tieferen Einblick in das Gesundheitssystem zu erhalten.

Im vergangen Monat durfte ich also im Rahmen eines Praktikums mit den Krankenschwestern der Tagschicht (es gibt nur eine Tag- und eine Nachtschicht) mitlaufen, ihre Arbeit beobachten und teilweise selbst mithelfen.

Im J. M. Hospital gibt ca. 10 Betten, es ist also wirklich recht klein. Zusätzlich sind aber noch eine hauseigene Apotheke, eine Arztpraxis mit Sprechstunde für externe Patienten, ein OP und ein Behandlungszimmer vorhanden.

 

IMG_2943 Aufgabenbereiche einer Krankenschwester

Die Aufgabe der Krankenschwester bestand darin, regelmäßig die Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur) zu kontrollieren, Tabletten (die in der Apotheke von den Patienten zuvor selbst gekauft werden) zur richtigen Tageszeit herauszudrücken sowie Infusionen an- oder abzuhängen. Soweit deckt sich der Tagesablauf noch mit meinen deutschen Erfahrungen.

Der Unterschied besteht darin, dass hier fast immer ein Angehöriger da ist, um dem Patienten bei der Körperpflege zu helfen, Essen mitzubringen und zu reichen. In Deutschland kommt der Besuch ja eigentlich nur vorbei, um sich zu unterhalten oder Blumen mitzubringen.

Um ein paar weitere Unterschiede zu Deutschland zu nennen: Hier legen die Krankenschwestern Infusionsnadeln (bei uns häufig der Arzt), nähen kleine und größere Wunden selbständig (bei uns auch der Arzt) und – Händedesinfektion gibt es hier nicht. Zumindest in diesem kleinen Krankenhaus.

Die Hände werden zwar manchmal gewaschen, aber Desinfizieren (in Deutschland ein absolutes MUSS!) kennt man hier einfach nicht! Das hat mich sehr überrascht!

Nachdem ich versucht habe zu erklären, wie wichtig das ist um die Verschleppung pathogener (krankmachender) Keime zu unterbinden, gab es nach einer Woche plötzlich eine Flasche Sterilium (Händedesinfektionsmittel)! Ich habe dann die Handhabung erklärt und manche Schwestern konnten sich auch dafür begeistern – sogar im OP steht jetzt so eine Flasche.

 

IMG_2948 Vielfältige Krankheitsbilder

Sehr interessant war auch die Arbeit im Behandlungszimmer, es gab wirklich viele verschiedene Fälle! Einige Patienten kamen nur für den Verbandswechsel älterer Wunden, andere mit frischen Verletzungen wie Verbrennungen (z. B. von einem explodierten Druckkochtopf), Skorpion Bissen und Unfallfolgen. Verkehrsunfälle gibt es hier sehr häufig, wir hatten täglich mindestens einen Fall, häufig Motorrad- oder Fahrradfahrer.

Sehr interessant waren auch die Geburten: Insgesamt durfte ich bei zwei Kaiserschnitten dabei sein und sogar assistieren! Teilweise waren 5 der 10 Betten mit frisch entbundenen Müttern und ihren Kindern belegt – in Indien gibt es wirklich viele Kinder.

Außerdem kamen noch viele Patienten mit Fieber, Grippe oder Schmerzen allgemein – die bekamen dann meistens eine Spritze in das Gesäß (intramuskuläre Injektion). Und das mit so banalen Medikamenten wie Paracetamol, was ja eigentlich auch als Tablette oder Saft vorhanden wäre… Aber was unangenehm ist hilft bekanntlich besser – und so bekam ich die Chance, viele i.m.-Injektionen zu verabreichen.

Insgesamt war es eine sehr gute, interessante und lehrreiche Erfahrung, sowohl in Bezug auf die verschiedenen Krankheitsbilder wie auch auf den Arbeitsalltag einer Krankenschwester.

Sonntag, 4. November 2012

Deepavali – fast wie Weihnachten

Gestern hatte ich das Privileg, eines der wichtigsten Feste hier in Tamil Nadu kennen zu lernen:IMG_3196

die „Deepavali-Function“.

Das Fest wird eigentlich erst am 13. November gefeiert, aber weil da alle Kinder zu ihren Verwandten fahren, gab es gestern schon eine große Vorfeier. Veranstaltet wurde sie von dem Lions Club Tirupur, NMCT und einigen anderen Organisationen, die sich für HIV-positive Menschen und deren Angehörige einsetzen.

 

Hier in Abhaya fingen die Vorbereitungen für dieses große Ereignis schon vor Wochen an: Die Kinder studierten Tänze ein und die Vorfreude auf das Fest war deutlich spürbar! Gestern sind dann alle ganz zeitig aufgestanden und haben die letzten Vorbereitungen getroffen: Die neuen Kleider, ein Geschenk für jedes Kind zu Deepavali (und sogar mich!) wurden angezogen, Essen für die lange Busfahrt gekocht und in den Reisebus getragen, Haare frisiert, Schmuck angelegt, reichlich Puder auf die Gesichter gestäubt…

 

IMG_3235 Dann ging es los: In einem großen Bus mit allen 26 Kindern, Mitarbeitern, Freunden und Verwandten fuhren wir los nach Tirupur (ca. 60 km entfernt). Dabei lief tamilische Musik auf voller Lautstärke und der Mittelgang wurde für die Fahrt in eine Tanzfläche verwandelt! Die Kinder wurden nicht müde und tanzten fast die ganzen 2 Stunden Fahrt ausgelassen durch!

 

In Tirupur angekommen erwartete uns ein buntes Programm aus Tanzdarbietungen von Kindern, die von HIV direkt oder indirekt betroffen sind, Gedichten, Liedern und immer wieder Reden der einzelnen Sponsoren des Ereignisses. Weitere kleine Geschenke an die Kinder und leckeres Essen in der Mittagspause trugen zusätzlich zu einem gelungenen Fest bei.IMG_3224

Am Abend fuhr dann ein Bus voller erschöpfter aber glücklicher Kinder wieder nach Abhaya zurück.

Samstag, 3. November 2012

CaSP – Care, Support & Prevention

IMG_1929 Das CaSP-Projekt ist ein Zweig der NGO NMCT (Native Medicare Charitable Trust) hier und arbeitet seit 2011 mit der Hilfe der KKS (Karl Kübel Stiftung) Deutschland unter HIV-positiven Menschen. Schwerpunkt dieser Arbeit ist in Pollachi, einer Stadt ca. 50 km von Coimbatore entfernt.

Meine Aufgabe als Freiwillige war es, die Arbeit von CaSP näher kennen zu lernen und zu dokumentieren. Deswegen bin ich im September und Oktober oft nach Pollachi gefahren, um Klienten des Projektes kennen zu lernen und ihre Geschichte aufzuschreiben. Dabei wurde ich stets durch einem Sozialarbeiter von CaSP begleitet, der auch als Übersetzer fungierte.

Ich hab die Menschen zu ihrem Beruf, ihrer Wohnsituation und ihrem sozialen Hintergrund befragt. Auch ihr erster Kontakt mit der Infektionskrankheit HIV und ihr jetziger Gesundheitsstatus haben mich natürlich sehr interessiert. Schließlich wollte ich noch wissen, wie sie mit CaSP in Berührung gekommen sind.

Es stellte sich heraus, dass HIV in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen anzutreffen ist – allerdings arbeitet CaSP vorwiegend in den ärmeren Schichten der Gesellschaft, wo Hilfe von außen notwendig ist.

IMG_1924Die meisten Infizierten haben zuerst überhaupt nicht gewusst, dass es ein „humanes Immundefizienz-Virus“ gibt – sie waren lediglich mit den Spätfolgen der Erkrankung (ungewolltem starken Gewichtsverlust, Erkrankung an Tuberkulose, juckendem Hautausschlag etc.) konfrontiert. Häufig war es erst der Arztbesuch wegen dieser opportunistischen Krankheiten, der sie über ihren Status und die Existenz dieser überwiegend sexuell übertragenen Infektion aufklärte.

Anschließend bricht natürlich für die allermeisten eine Welt zusammen und nicht selten sind suizidale Gedanken und panische Angst vor der Reaktion der Mitmenschen Teil des Alltags. Die meisten Interviewpartner bekennen sich nicht öffentlich zu HIV – die wenigen Ausnahmen haben mit zum Teil schwerwiegenden Nachteilen im Alltag und Ausgrenzung durch Nachbarn und ehemalige Freunde zu kämpfen.

Durch häufige Krankheitsphasen und allgemeine Schwäche können viele Klienten ihrer gewohnten Beschäftigung nicht mehr nachgehen und sind auf die Unterstützung durch Familie und Freunde angewiesen.

CaSP bekommt die Informationen über betroffene Personen von den staatlichen HIV-Test-Zentren (ICTC = integrated counseling and testing centre) und IMG_1926Sozialarbeiter nehmen durch Hausbesuche ersten Kontakt zu ihnen auf.

Die Reaktion ist nach anfänglicher Irritation häufig sehr positiv, erhalten sie neben verschiedenen finanziellen Unterstützungen (z. B. Geld für Milchpulver für Babies, Schuluniformen, Finanzierung des Schulbesuches für ältere Kinder, medizinische Versorgung im Notfall, Nahrungsmittelpakete) auch Informationen über die Krankheit, andere staatliche Förderprogramme und Beratung zu einem Leben mit HIV/AIDS. Die Mitarbeiter ermutigen die Betroffenen zu einer positiven Lebenseinstellung, gesunder Ernährung und einem starken Selbstbewusstsein. Oft sind sie damit die einzige Vertrauensperson für die Betroffenen.

Durch die vielfältigen Aufklärungsprogramme (Straßenveranstaltungen, Gruppenschulungen für Betroffene, persönliche Beratung) sowie praktische Hilfe setzt sich NMCT durch das CaSP-Projekt aktiv für ein gesellschaftliches Bewusstsein für HIV/ AIDS und die Bekämpfung der weiteren Verbreitung des tödlichen Virus ein. Ein wertvoller Beitrag zur Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele – der Schulbildung für alle Kinder und natürlich die Bekämpfung der Ausbreitung von HIV/AIDS.