Donnerstag, 20. September 2012

Ein Besuch bei den “Transgenders” in Coimbatore

 

Das Projekt

Gestern habe ich einen Arbeitsbereich meiner NGO “NMCT” (Native Medicare Charitable Trust) kennengelernt: Das “Trans-Genders-Projekt” in Coimbatore.
Seit 2004 setzt sich NMCT dafür ein, Transgenders (also Männer, die sich als Frauen fühlen und auch so kleiden) eine bessere Lebensperspektive zu ermöglichen. In Coimbatore gibt es ca. 500 Transgenders, häufig sind es biologische Männer, die sich als Frau fühlen, seltener auch umgekehrt.
Es ist ein erklärtes Ziel der NGO, die Verbreitung von HIV zu reduzieren. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt daher auf der Aufklärung  über sexuell übertragbare Erkrankungen, ihrer Vorbeugung und die Unterstützung bei der Behandlung.
Außerdem soll das Selbstbewusstsein der Mitglieder gestärkt werden, um aktiv Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen zu können. Auch Beratung zu rechtlichen Themen, Öffentlichkeitsarbeit oder die Vermittlung einer Ausbildung werden unterstützt.

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Stellung in der indischen Gesellschaft

Beschäftigungsbereiche für diese in Indien als 3. Geschlecht anerkannte Gruppe sind die Arbeit als Köchin oder Tänzerin, aber auch als MSM (male sex worker). Sie werden von der indischen Regierung sehr unterstützt, bekommen beispielsweise einen neuen Ausweis mit weiblichem Namen, Rationskarten (mit denen Grundnahrungsmittel billiger erworben werden können) und die Behandlung in staatlichen Krankenhäusern.
In der Gesellschaft spielen sie jedoch weiterhin eine marginalisierte Rolle. Zu großen Festen wie Hochzeiten oder bei einer Geburt ist es ihre Aufgabe, dem Paar oder dem Kind eine Segnung zuzusprechen, die sie vor der späteren Neigung als Transgender bewahren soll.

 

Madana’s Geschichte

Madana, Leiterin des Projektes und “Mutter” oder “Großmutter” der Bewohner des Transgender-Hauses in Coimbatore, hat uns etwas von ihrer Geschichte erzählt:
Als Junge in einem kleinen südindischen Dorf zur Welt gekommen, stellte sie mit 10 Jahren fest, dass sie sich lieber wie ein Mädchen kleidete und verhielt. Intuitiv fühlte sie sich zu Transgenders in ihrer Gesellschaft hingezogen und schloss sich ihnen mit 13 Jahren an. Ihre Familie missbilligte dieses Verhalten, so dass sie schließlich weglief.
Für neun Jahre arbeitete sie als Hausmädchen und Köchin bei einer Familie, für ein winziges Gehalt (25-80 Rupien pro Monat [1 Euro = ca. 60 Rupien]).
Später fand sie mit Hilfe anderer Transgenders eine Anstellung als Köchin in Coimbatore, die ihr ein gutes Auskommen ermöglichte. Sie setzte sich für den Kauf eines eigenen Hauses für Transgenders in Coimbatore ein, ein Traum der 2006 wahr wurde. Das “Amudasurapi” (was soviel wie “überfliessend, überreichlich vorhanden” bedeutet) ist heute Hauptsitz des Transgender-Projektes.
Diese gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen haben die Transgenders eng zusammengeschweißt. Madana ist als Leiterin und ältestes Mitglied zu einer Adoptivmutter oder –großmutter für viele jüngere Transgenders in Coimbatore geworden.
Durch ihr regelmäßiges Einkommen als Köchin konnte sie auch ihre eigene Familie, mit der sie sich inzwischen versöhnt hat, finanziell unterstützen. Sie finanzierte die Ausbildung ihres Neffen, der nun ein erfolgreicher Ingenieur ist. Heute unterstützt er Madana aus Dankbarkeit für die Möglichkeit, die sie ihm durch die Bildung eröffnet hat.
Madana (Mitte, rotes Hemd) und drei ihrer Adoptivkinder (ganz links, zweite von links, ganz rechts)
Madana (Mitte, rotes Hemd) und drei ihrer Adoptivkinder (ganz links, zweite von links, ganz rechts)